Kolumne Berliner Zeitung 12

„Stephanie, 33, lieber Herr Lenné, vielen Dank für Ihre Kolumnen. Ich habe ein Kind bekommen und seit etwa 2 Jahren sehr wenig Sex mit meinem Partner. Glauben Sie, dass sich das wieder richtet? Oder gibt es Paare, die nach dem ersten Kind mit dem Sexhaben aufhören? Wie sind Ihre Erfahrungen? Herzliche Grüße Ihre Stephanie“

 

Liebe Stephanie, erst einmal Glückwunsch zu dem Kind. Warum sollten Menschen nach dem ersten Kind mit dem Sex aufhören? Da würde sich die Menschheit schnell halbieren. Viele Paare haben im ersten Jahr nach der Geburt sehr wenig oder keinen Sex. Da ist dieses neue kleine Wesen in das Leben des Paares hineingewünscht, hineingerutscht, hineingepresst. Alles ist wie es sein sollte, aber nichts ist mehr, wie es war. Aus den Tiefen der Seele kommen, vorher in dieser Intensität unbekannte Gefühle. Liebe, Erfüllung, Verletzlichkeit, Verbindung und manchmal Gefühle zu abhängig zu sein, füllen das Herz fast bis zum Bersten. Besonders beim ersten Kind brauchen die Paare Zeit sich an diese ungeübte Fülle zu gewöhnen. Die jungen Mütter haben den Baby-Pieps an und alle Türen zum Kinderzimmer weit offen, dennoch müssen sie alle 10 Minuten nervös selbst nachsehen, ob alles mit ihrem kleinen Engel in Ordnung ist. Das ist gesund und normal. So sind wir Menschen, wenn wir Nachwuchs bekommen. Auch müssen bei vielen Frauen Geburtswunden verheilen – körperliche manchmal auch seelische. So geht das erste Jahr dahin und Sex ist nicht das wichtigste. Jetzt sind es bei euch schon zwei Jahre und es scheint nur zu tröpfeln. Es gibt ein paar „Klassiker“, warum der Sex nicht wieder anspringen will. Vielleicht hat sich dein Verhältnis zu deinem Körper und deiner Sexualität durch die Mutterschaft verändert und du bist verunsichert was du im Bett jetzt eigentlich fühlen und erleben möchtest. Vielleicht sind auch im ersten Jahr mit dem Baby zu viele kleine Streits und Differenzen nicht wieder aufgelöst worden. Du hast dich vielleicht zu viel allein gelassen oder unverstanden gefühlt. Und natürlich, wenn der Alltag stark von einem kleinen Kind bestimmt wird, ist oft nicht genug freie Zeit da, um – wie vor dem Kind – von selbst in den gemeinsamen sexuellen Fluss zu gelangen. Ihr müsstet euch jetzt um sinnlich, nah und evtl. auch sexuell zu werden selbst kümmern. Freie Zeit schaffen, in der es passieren kann, aber nicht muss. Das fühlt sich zuerst etwas fremd an und wird zu Anfang auch schief gehen, ist aber eine wirklich gute Möglichkeit aus der Elternschaft wieder in die Liebesbeziehung zu gelangen.