Kolumne Berliner Zeitung 13

Tobias, 36: „Lieber Herr Lenné, danke für Ihre wunderbaren Kolumnen! Ich habe eine ziemlich intime und schwierige Frage. Ich bin seit vier Jahren mit meiner Freundin zusammen, finde die Beziehung gut, aber eine tiefe Leidenschaft habe ich nie empfunden. Trotzdem war ich noch nie in so einer stressfreien Beziehung, wollte sie deshalb nicht aufgeben. Ich frage mich oft dennoch: War es das schon? Sollte ich nicht lieber nach der großen Liebe suchen? Sollte ich dem Gefühl nachgeben, mit meiner Freundin gar darüber reden oder akzeptieren, dass manche Menschen die große Liebe einfach nicht finden?“

 

Lieber Tobias, die Frage, die du wälzt, scheint mir eine nahe Verwandte der Frage nach dem Sinn unsren Lebens überhaupt zu sein. Wir werden geboren, wachsen in unseren Familien auf, lernen etwas, ziehen aus in unser eigenes Leben und am Ende sterben wir. Was bleibt übrig? Manche schreiben Bücher dafür, andere gründen Firmen, wieder andere leben als Familienmenschen. Wie erkennen wir, ob etwas richtig und gut für uns ist – sinnhaft für unser Leben ist? Wie war das bisher in Deinen Beziehungen? Hast du bei anderen Frauen mehr Feuer gespürt? Warum konntest du nicht bleiben? Manchmal ist es ein Taschenspielertrick unseres Unbewussten, mit einem Partner zu bleiben, dem wir uns (vielleicht erst einmal) nicht so tief verbunden fühlen. Wir können uns dann langsam annähern und uns vorsichtig öffnen. Es ist nicht so gefährlich, wir müssen nicht so viel streiten und werden nicht so unangenehm hilflos, wie bei den Partnern mit „Feuer“. Wenn es gut geht, vertieft sich die Liebe, wir öffnen uns und kommen an. Die Frage ist, was möchtest du in diesem Leben erleben? Möchtest du Kinder? Möchtest du mit dieser Partnerin alt werden? Oder bist du einer, der das Leben so nimmt wie es kommt? Stell Dir einmal vor, du wärst jetzt 80 Jahre alt und würdest auf dein gelebtes Leben zurückschauen. Du schaust auf diesen 36-jährigen Tobias in dieser Beziehung. Was würdest du ihm mit deinen weisen 80 Jahren raten? Du musst jetzt nicht unbedingt auf diesen alten Mann hören, aber er kann dir sicher wichtige Hinweise geben. Die andere Frage ist, wie du mit Deiner Partnerin dazu umgehen möchtest. Wenn es dich so drückt, kannst du es überhaupt für Dich behalten, ohne dass du ihr damit etwas wichtiges vorenthältst? Mit Ihr darüber zu sprechen, würde einiges in Bewegung setzten. Es würde dir und ihr ein Stück den Weg frei machen, zu Leben was ihr wirklich leben wollt. Ob weiter zusammen oder jeder auf seine Art.