Kolumne Berliner Zeitung 7

Christian, 29: "Lieber Herr Lenné! Danke für Ihre Einblicke aus der Paartherapie. Ich habe folgende Frage: Ich denke darüber nach, nach 2 Jahren Beziehung mit meiner Freundin zusammenzuziehen. Bislang hat Zusammenwohnen bei mir nicht so geklappt, ich fühlte mich schnell eingeengt. Sollte ich es versuchen? Oder kann es sein, dass Zusammenwohnen einfach nicht für jedermann ist? Aber wie gründe ich dann eine Familie? Was sagen Ihre Erfahrungen?"

 

 

Lieber Christian, Zusammenziehen und Familie gründen sind wohl die Königsklasse der Liebesbeziehung. Und damit wohl auch das Aufregendste und Beeindruckteste – auch wenn manches dabei durch seine Beständigkeit wie in Zeitlupe abzulaufen scheint. Gerade eben noch zusammengezogen und unbemerkte sechs, sieben Jahre später werden die Kinder schon eingeschult. Der Lebenspartner wird zum Dreh- und Angelpunkt deines Lebens, deine Familie zu deiner Heimat. Es geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod. Die Kinder bringen uns das Leben und erinnern uns an unsere Sterblichkeit. Das Bild von Leben und Tot passt symbolisch und paartherapeutisch vielleicht auch zu Deinen Gefühlen in der Beziehung schnell eingeengt zu sein. Du ziehst dich zurück und wirst innerhalb der Beziehung immer lebloser. Das Freudige, Lebendige stirbt ab oder du kannst es nur noch außerhalb leben. Vielleicht gehst du weiter gerne feiern, weißt aber nicht mehr so recht, wie du dich zu Hause lebendig fühlen sollst. 

Wahrscheinlich engt Dich Deine Freundin nicht in echt ein. Es ist mehr in Dir, du ziehst dich zurück und nimmst deinen Raum nicht wahr. Viele mit diesem Problem denken an dieser Stelle, dass sie zu viel für ihre Partnerin sind und halten sich deshalb zurück. Andersrum gedreht hätte man sich dann allerdings eine Partnerin ausgesucht, die nicht sehr belastbar wäre. Wie kräftig ist deine Freundin wirklich? Fühlt sie sich so schnell von dir bedrängt oder sogar in Frage gestellt, wie du denkst? Kann sie rechtzeitig und freundlich Bescheid sagen, wenn du deine Lebendigkeit nicht zurück hälst? Vielleicht fehlt sie ihr in diesen Momenten sogar. Es sind meist bestimmte frühe Erfahrungen mit unseren Eltern und Geschwistern, die uns dann als Erwachsene, in der Nähe ein wenig zu schüchtern sein lassen. Jetzt mit 29 Jahren kannst du dazu mit Deiner Freundin neue Erfahrungen sammeln und dein Verhalten hinterfragen. Wie immer an dieser Stelle: Sprich mit ihr darüber. Vielleicht werdet ihr beide staunen. Wahrscheinlich werdet ihr euch näherkommen.