Wäre es mit einem neuen Partner nicht viel einfacher?

Liebe Leser,
letzten Sonntag im Flieger zu einem Vortrag und Workshop in Stuttgart kam ich mit meinem Nachbarn ins Gespräch. Als wir über unsere Berufe sprachen, wurde er hellhörig. Er hatte sich vor einen Jahr von seiner Frau getrennt und war nun auf dem Weg zu seiner neuen Partnerin. „Immer noch sehr aufgeregt“, wie er mir versicherte. Auf meine Frage, was den nun anders, besser oder leichter sei, antwortete er, dass manches z.B. die Absprachen über den Alltag einfacher seinen. Auch der Sex sei einfacher und tiefer - lächelnd fügte er hinzu: „Aber das ist wohl am Anfang immer so.“ Nach leichtem Zögern ergänze er: „Aber doch, da gibt es eine neue Tiefe in der Körperlichkeit, die ich mit meiner Ex-Frau so nie erreicht hatte.“ Was sich gar nicht verändert hat — sogar noch ein bisschen schlimmer geworden sei, ist ein unangenehmes Gefühl von Einsamkeit in seiner Brust, das ihn immer mal wieder morgens beim Wachwerden überkommt. Er hatte gehofft, dieses Gefühl würde mit der neuen Liebe endlich verschwinden.

Er ist ein schönes Beispiel dafür, dass wir nicht wissen können, ob ein anderer Partner uns insgesamt zu mehr Glück verhilft. Wir nehmen unsere individuellen Möglichkeiten mit und stellen sie neu in Beziehung zu einem anderen Menschen. Es ist wie bei einem Schachspiel: Meine Möglichkeiten beeinflussen das Spiel und das Spiel beeinflusst meine Möglichkeiten. Mit einem anderen Partner spiele ich ein anderes Spiel. Spiele ich gegen einen Großmeister, wird er das Spiel komplett bestimmen können. Auf eine Liebesbeziehung übertragen heißt das: haben ich oder mein Partner ernstere psychische Probleme werde ich oder er damit die Atmosphäre unserer Beziehung dominieren.

Interessant ist es mit dem Partner darüber ins Gespräch zu kommen: Was von unserem Chaos erzeugen wir gemeinsam und wo sind die Stellen bei jedem von uns, an denen er vielleicht spezielle Hilfe braucht, die unsere Liebesbeziehung nicht leisten kann?

Herzlichst
Fabian Lenné